From inspiration to reality
Ich war 8 Jahre alt, als meine Gotte mir zum Geburtstag de Film „First Ascent“ über Didier Berthod schenkte. Die spektakulären Aufnahmen von schwierigen Rissklettereien im Trad-Stil faszinierten mich. Immer wieder schaute ich mir seine Erstbegehungen, Abenteuer und Kämpfe in den zahlreichen Rissen rund um die Welt an. Er setzte mit der freien Begehung der Route Greenspit im Valle dell’Orco einen Meilenstein: ein 12m horizontaler Riss in einem Dach, 8b bewertet, ohne Bohrhaken. Für mich hatte sich innerlich ein Feuer entfacht, das über die Jahre zu einer Lebensgeschichte werden sollte.
Rissklettern ohne Bohrhaken hat mich schon immer fasziniert. Wie Didier Berthod bereits mal gesagt hat: Rissklettern erfordert Authentizität. Man kann sich nicht hochschmuggeln und man muss neben den klettertechnischen Fähigkeiten die mentalen Voraussetzungen mitbringen, sich mit Friends und Keilen selbst abzusichern.
Und so zog es mich auch immer wieder in Klettergebiete wie Cadarese oder in meiner Region, wo ich mich in unzähligen Granitrissen übte. Und dann im Herbst 2021 passte alles zusammen für meine Reise ins Valle dell’Orc, um meinen persönlichen Kindheitstraum anzugehen: den Wunsch, Greenspit zu klettern.
Ich war damals mit Michelle unterwegs, die mich beim Projektieren sicherte. Ich weiss noch, wie ich damals alles optimiert habe, inklusive Ernährung und Ruhephasen. Ich wollte es nach dem 4. Versuch unbedingt schaffen und setzte mich unter Druck.
Es wollte aber nicht klappen. Und so entschied ich mich, ein paar Tage Mehrseillängen zu klettern, um mich zu entspannen. Wir fuhren schliesslich zurück und eigentlich hatten wir einen Ruhetag eingeplant. Ich weiss noch, dass ich den Tag nicht wirklich so begonnen hatte, wie ich mich normalerweise für eine Rotpunktbegehung vorbereite. Entsprechend war kein Druck da. Ausserdem versuchte sich der slowenische Profikletterer Jernej Kruder in der Route und da seine Freundin sich nicht wohlfühlte, ihn zu sichern, zumal keine Bohrhaken vorhanden waren, übernahm ich das Sichern. Nachdem ich ihn eine Weile gesichert hatte, war ich selbst motiviert, einen Versuch zu starten. Ich stieg einfach ein, ohne Erwartungen und während Jernej mich sicherte, filmte mich Michelle mit dem Handy und rief mir von unten zu, ich solle schön klemmen. Und da war ich schon oben am Umlenker.
Für mich fühlte sich die freie Begehung von Greenspit wie Ausgangs- und Ankunftspunkt an. Seit meiner Kindheit trage ich die Bilder von Didier Berthod und Greenspit in mir. Damals noch unerreichbar und dann die vielen Stunden, Tage, Wochen und Jahre, die ich dem Klettern ewidmet hatte. Und jetzt hatte ich mir diesen Wunsch erfüllt und mein Ziel erreicht: Eine der ganz grossen Risstouren in Europa zu klettern.